„Das Museum gehört in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung!“

„Das Museum gehört in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung!“

Ein Gespräch mit Dietmar Lehmann.

Im Museum für Bergbau und Erdgeschichte und Besucherbergwerk Kleinenbremen lässt es sich gut auf eine Zeitreise gehen. Die geheimnisvolle Unter-Tage-Welt ist Zeugnis vom Leben der Bergleute und erzählt aus der über 100-jährigen Geschichte der Grube. Im Betriebsgebäude der ehemaligen Eisenerzgrube Wohlverwahrt befindet sich das Museum mit den Abteilungen Bergbau und Erdgeschichte. Doch es besteht Handlungsbedarf. Das Museum muss sich weiterentwickeln, um auch zukünftig als geschichtsträchtiger Ort bestehen bleiben zu können. Die ersten Schritte sind von Dietmar Lehmann, der für sechs Monate die Geschäftsführung von Museum und Besucherbergwerk übernahm, gemacht. Im Gespräch mit dem Porta Magazin zieht Dietmar Lehmann ein Resümee.

 

Herr Lehmann, Sie haben im August 2022 für die Dauer von sechs Monaten die Geschäftsführung des Besucherbergwerks und Museums in Kleinenbremen übernommen. Was war Ihre Intention?

Die Anfrage des Aufsichtsratsvorsitzenden kam für mich ein wenig überraschend, habe aber dann spontan zugesagt. Allerdings war die wirtschaftliche Situation des Museums zu Beginn meiner Geschäftsführertätigkeit mehr als problematisch. Defizite prägen seit Jahren die Diskussionen und Entscheidungen rund um das Museum. Auch ein von den Gesellschaftern der gemeinnützigen Betriebs-GmbH in Auftrag gegebenes Gutachten verwies bereits auf ein erhebliches strukturelles Defizit. Die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel reichten bei weitem nicht aus, um das vorhandene Potenzial des Museums nachhaltig zu stärken sowie die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit des Museums langfristig zu sichern. Hier galt es vor dem Hintergrund bestandsgefährdenden Risiken gemeinsam mit allen Verantwortlichen eine Perspektive für das Museum zu entwickeln. Von daher sah ich die befristete Übernahme der Geschäftsführung als äußerst reizvolle, wie auch anspruchsvolle Aufgabe an.

 

Die finanziellen Mittel des Museums waren knapp bemessen. Inzwischen haben sowohl die Stadt als auch der Kreis die finanzielle Ausstattung des Museums aufgestockt. Nun sind die Kassen von Stadt- und Kreiskämmerer auch nicht üppig gefüllt. Warum ist die Investition in Kleinenbremen dennoch richtig und wichtig?

Mit Blick auf die unterschiedlichen Potenziale gehört das Besucher-Bergwerk und Museum Kleinenbremen mit seinen fast 20.000 Besucherinnen und Besuchern pro Jahr (Stand 2019) zu den bedeutenden touristischen Attraktionen im Kreisgebiet. Vor allem der Untertagebereich besitzt ein überdurchschnittliches touristisches Attraktionspotenzial und bietet aufgrund seiner Einzigartigkeit und Ausstrahlung erhebliche Chancen für den zukünftigen Fortbestand des Museums. Gleichzeitig bietet das Museum im Rahmen der Kulturellen Bildung Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, an einem authentischen Ort Bergbau- und Erdgeschichte zu erleben. Auch steht das Museum exemplarisch für einen Teil der Untertageverlagerungen während des 2. Weltkrieges. In Kleinenbremen war die größte unterirdische Rüstungsproduktion an der Porta Westfalica geplant, deren Bauten aus Ziegelsteinen zu einem Teil heute noch ganzjährig zu besichtigen sind. 

 

Gehen Sie davon aus, dass Besucherbergwerk und Museum nach einer Übergangsphase und konzeptionellen Weiterentwicklung kostendeckend werden arbeiten können?

Um es gleich vorweg zu nehmen, ein Museum wird nie kostendeckend zu führen sein, alles andere wäre eine Illusion. Die schwierigen Haushaltslagen der öffentlichen Hand stellen aber auch neue Anforderungen an die Museen selbst. Um den finanziellen Spielraum zu vergrößern, muss neben einer vorausschauenden Wirtschaftsplanung auch der erwirtschaftete Eigenanteil der Museen deutlich erhöht werden. Hier gilt es, neue Zielgruppen mit neuen Themen und einer zeitgemäßen Kommunikation anzusprechen. Letztendlich müssen auch Fördergelder eingeworben werden. Aktuell beantragt das Besucher-Bergwerk und Museum Kleinenbremen gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung des Kreises Fördergelder im sechsstelligen Bereich im Rahmen eines EFRE-Programms. Ziel des Aufrufs „Erlebnis.NRW“ ist es, den Tourismus in NRW mit innovativen und authentischen Erlebnisangeboten und dem Ausbau von Infrastruktur weiterzuentwickeln. Ob die eingereichte Projektskizze positiv beschieden wird, bleibt allerdings abzuwarten.

 

In einem ersten konzeptionellen Entwurf haben Sie „Untertageverlagerung“, „Kulturelle Bildung“ sowie den „Dritten Ort“ als Handlungsebenen herausgearbeitet. Zunächst: Warum ist Kleinenbremen in den letzten Jahrzehnten überhaupt nicht mit der NS-Geschichte in Zusammenhang gebracht worden?

Zunächst einmal muss ich die mangelnde Aufarbeitung der NS-Geschichte ein wenig relativieren. Es hat in der Vergangenheit einen Ausstellungsraum im Museum gegeben, der zumindest einen Teil der Geschichte der Grube „Wohlverwahrt“ während der Zeit des Nationalsozialismus thematisierte. Umso wichtiger ist, dass dieser Teil der Geschichte wieder öffentlich zugänglich wird. Dazu gehört aber auch die Verpflichtung, die Geschichte der späteren unterirdischen Rüstungsproduktion in Kleinenbremen im Rahmen der NS-Kriegswirtschaft aufzuarbeiten.

 

Welche Rolle spielte das Bergwerk Kleinenbremen im zweiten Weltkrieg?

Die Geschichte der Grube Wohlverwahrt ist eng mit der Geschichte des Nationalsozialismus verbunden. Nachdem die Grube Wohlverwahrt im Jahr 1923 wegen Unrentabilität vorübergehend stillgelegt wurde, übernahmen die Vereinigten Stahlwerke AG in Dortmund die Eisenerzgrube. Ab 1934 wuchs im Rahmen der nationalsozialistischen Wirtschaftsordnung das Interesse an einer nationalen Eisenerzförderung. 1938 wurden daher auf engen Raum Betriebs- und Kauengebäude nebst Werkstätten sowie Lokschuppen neu errichtet, die heute noch auf dem Werksgelände zu sehen sind. Weiter entstanden Brech- und Siebanlagen. Im Zuge der allgemeinen Kriegsvorbereitungen wurde der Betrieb der Grube „Wohlverwahrt“ 1939 wieder umfänglich aufgenommen. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges war das Erzbergwerk in Kleinenbremen nach den Plänen der „Organisation Todt“ u.a. für die Produktion von Flugzeugteilen des Unternehmens Focke-Wulf vorgesehen. Dazu wurden 1944 in einem Teil des Bergwerks auf einer Fläche von rund 50.000 Quadratmetern entsprechende Räumlichkeiten aus Ziegelsteinen unter der Tarnbezeichnung „Elritze“ eingezogen, die auch heute noch erhalten sind. Als Generalunternehmer zuständig war das Reichsministerium für Rüstung und Kriegswirtschaft, bzw. die darin integrierte Organisation Todt (OT). Die auszuführenden Arbeiten wurden an ein Konsortium aus drei Unternehmen vergeben, von denen zwei federführend waren. Neben den ausführenden Firmen und deren Mitarbeitern wurden für die Durchführung der U-Verlagerung etwa 700 polnische Kriegsgefangene eingesetzt, die dem Kriegsgefangenenlager Stalag 326 (VIK) in Senne unterstanden. Für die Unterbringung der 700 Kriegsgefangenen wurden in der Umgebung von Kleinenbremen in Fülme und Nammen zwei Arbeitskommandos eingerichtet. Die ersten polnischen Kriegsgefangen trafen am 5. Oktober 1944 in Nammen ein, Ende 1944 war das Kommando mit 318 polnischen Kriegsgefangenen belegt.

 

Gibt es genügend Material, um dem Thema eine Dauerausstellung zu widmen?

Geplant ist zunächst einmal, die Zugänglichkeit der unterirdischen Stollenanlage im Bereich der Untertageverlagerungen zu erhöhen. Daneben soll schrittweise das Informations- und Bildungsangebot ausgebaut werden, u.a. sollen themenspezifische Führungen angeboten werden. Parallel dazu wird das vorhandene Archivmaterial im Hause gesichtet, um Originalunterlagen - soweit vorhanden - in einem möglichen Ausstellungskontext zu stellen. Darüber hinaus soll in enger Kooperation mit der Gedenkstätte Stalag 326 (VI K) Senne sowie mit der KZ - Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica weiter zur Geschichte der Zwangsarbeit polnischer Kriegsgefangener in Kleinenbremen geforscht werden. Aktuell liegt bereits eine bemerkenswerte wissenschaftliche Arbeit zur Situation polnischer Kriegsgefangener in Kleinenbremen vor.

 

In der Vergangenheit ist das Bergwerk für Veranstaltungen wie Konzerte und Weihnachtsmärkte genutzt worden. Auch standesamtliche Trauungen können im Bergwerk stattfinden. Kann die Profilierung des Bergwerks als Veranstaltungsort gleichberechtigt neben der Entwicklung einer Erinnerungsstätte funktionieren?

Zunächst sieht sich das Museum der Kernaufgabe verpflichtet, die in Kleinenbremen vorhandenen industriehistorischen Anlagen unter und über Tage, das historische architektonische Ensemble der historischen Grube Wohlverwahrt sowie die besonderen geologischen und naturhistorischen Besonderheiten des Areals zu erhalten und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ausstellungen, Bildungs- und Vermittlungsangebote ermöglichen dabei einen lebendigen Zugang zu den bergbau- und erdgeschichtlichen Themen. Es darf dabei nicht übersehen werden, dass dieser Ort in besonderer Weise von und mit seiner Geschichte lebt, von daher ist das Museum zugleich auch ein wichtiger Teil der regionalen Erinnerungskultur und steht exemplarisch für einen Teil der Untertageverlagerungen in der Region. Wir betrachten von daher die vorhandenen unterirdischen Anlagen als einen Ort des Lernens und des Erinnerns, an dem historische Ereignisse für die nachfolgenden Generationen sichtbar und erlebbar werden. Diese Sicht auf die Geschichte des Bergewerks ist neu und führt richtigerweise zur Fragestellung, inwieweit sich bestimmte Veranstaltungsformen und Gedenken möglicherweise ausschließen. Hier muss zukünftig differenziert argumentiert werden. Allerdings wird das Besucher-Bergwerk und Museum Kleinenbremen auch in Zukunft keine reine Erinnerungs- bzw. Gedenkstätte werden. Bezogen auf die touristischen Potenziale glaube ich allerdings, dass sich Tourismus und Gedenken nicht ausschließen, da sich dadurch neue Chancen der Geschichtsvermittlung ergeben.

 

Was beinhaltet die Handlungsebene „Dritter Ort“?

Das Bergwerk bzw. die Grube Wohlverwahrt haben den Ort, die Menschen und die Landschaft drumherum geprägt. Für viele Bürgerinnen und Bürger aus Kleinenbremen ist das identitätsstiftende Gebäude nicht mehr wegzudenken. Das Museum möchte sich von daher auch als sogenannter „Dritter Ort“ verstehen, an dem man sich zwanglos treffen und austauschen kann. Durch Öffnung und Vernetzung bzw. Bündelung von kulturellen Angeboten sollen Vereine, Initiativen und Nachbarn im Sinne einer zukunftsgewandten Dorfentwicklung eingebunden werden. Erste Gespräche mit dem Heimatverein Kleinenbremen stimmen bereits positiv.

 

Wenn Sie nun Ihre sechsmonatige Tätigkeit als Geschäftsführer beenden – ist das Feld für einen Nachfolger gut bestellt? Was erwarten Sie von Ihrem Nachfolger?

Erfreulich ist zunächst, dass im Rahmen meiner Nachfolgeregelung zahlreiche qualifizierte Bewerbungen aus ganz Deutschland eingegangen sind. Mit Blick auf die Nachfolgeregelung freue ich mich auch, dass ich in den zurückliegenden Monaten wichtige Impulse für die zukünftige Entwicklung des Museums geben konnte. Mit der Entwicklung eines neuen Leitbildes und daraus abgeleiteten Strategiekonzepts hat sich das Besucher-Bergwerk und Museum Kleinenbremen in einem ersten Schritt neu positioniert, um sich als Einrichtung zeitgemäß zu präsentieren und um zusätzliche Zielgruppen anzusprechen. Hier gilt es jetzt, die angestoßenen programmatischen Überlegungen zügig umzusetzen sowie weitere relevante Themen für eine zukunftsgewandte Museumsarbeit aufzugreifen. Ganz konkret: Mein Nachfolger bzw. meine Nachfolgerin sollte in der Lage sein, das Museum vorausschauend strategisch und konzeptionell weiter zu entwickeln und das Profil des Museums zu schärfen. In diesem Zusammenhang gilt es auch, die Besucherzahlen zu steigern.

 

Ziehen Sie doch bitte noch ein persönliches Fazit. Was war Ihnen wichtig? Was hat Sie besonders gefordert und worauf blicken Sie zufrieden zurück?

Zunächst freue ich mich darüber, dass es mir gelungen ist, das Museum wieder stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung zu rücken. Auch hat das Museum heute wieder eine Perspektive bzw. gibt es eine gewisse Planungssicherheit für die unmittelbar nächsten Jahre, nachdem die öffentlichen Zuwendungen deutlich erhöht wurden. Dies war im Vorfeld meiner Tätigkeit nicht unbedingt abzusehen. Allerdings wird das politisch wichtige Signal allein nicht ausreichen, um das Museum in eine nachhaltige Zukunft zu führen. Hier ist weiterhin politischer Mut gefordert sowie tragfähige Zukunftskonzepte, die über das Hinausreichen, was bereits jetzt vorhanden ist. Umso erfreulicher ist die Tatsache, dass die Barbara Erzbergbau GmbH einen zehnjährigen Pachtvertrag in Aussicht gestellt hat, der dem Museum auch von dieser Seite die erforderliche Planungssicherheit bietet. Die Weichen in Richtung Zukunft sind somit gestellt.

Anzeige Provinzial Witt

| Anzeigen PW Start


Anzeige Pausenschmaus

| Anzeigen PW Start


Anzeige Julmi

| Anzeigen PW Start


Anzeige Ergotherapie Besch

| Anzeigen PW Start


Anzeige Frohwitter Wehage

| Anzeigen PW Start


Anzeige Kuhn

| Anzeigen PW Start


Anzeige Niessig

| Anzeigen PW Start