„Fannys Ruh“

„Fannys Ruh“

Der älteste Aussichtsturm stand seit 1886 auf den Nammer Klippen.

Von Kurt Römming

 

Es werden immer weniger Menschen rund um die Porta Westfalica und im Schaumburger Land zwischen Bückeburg und Rinteln, die sich noch aus eigener Anschauung an den 1952 abgebrochenen Bismarckturm auf dem Jakobsberg erinnern. Vor genau siebzig Jahren musste die 23 Meter hohe Bismarcksäule, wie der Volksmund sie nannte, dem ersten Fernsehturm auf dem Wesergebirge weichen.

Verblasst und nur noch vom Erzählen ist in Erinnerung, dass bereits seit dem Jahre 1886, sechzehn Jahre vor Einweihung der an den ersten deutschen Reichskanzler erinnernden Bismarcksäule, im Wesergebirge auf den Nammer Klippen ein Aussichtsturm gestanden hat. Es war eine Holzkonstruktion.

Jakobsberg, Roter Brink, Nammer Klippen, Wülpker Egge. So stellen sich dem Wanderer auf dem Wesergebirge die vier Bergrücken zwischen der Porta und dem Kleinenbremer Pass dar. Touristisch hebt sich der Jakobsberg mit dem späteren Neubau des veralteten ersten Fernsehturmes heraus, geschichtlich der Rote Brink mit dem zweitausend Jahre alten „Nammer Lager“, der vorgeschichtlichen Wall- und Fliehburg der Vorfahren, die zurzeit Karl des Großen auch Heerlager gewesen sein soll. Der Aussichtsturm auf dem Kammweg der Nammer Klippen hatte anfangs nur einen praxisbezogenen Hintergrund, doch dem Bauleiter schwebte bereits „Höheres“ vor.

Im Zuge der Jahrzehnte vorher von dem Freiherrn von Vincke, ehemals Mindener Regierungspräsident und später Oberpräsident von Westfalen, auf den Weg gebrachten Landreform wurde von den Landvermessern auch die Topographie neu bestimmt. Das Mindener Pionier-Bataillon erhielt 1886 den Auftrag, zu diesem Zweck auf der „Alten Klippe“, oberhalb von Nammen, einen hölzernen Vermessungsturm zu errichten, etwa vierhundert Meter westlich der etwas höher gelegenen Aussichtskanzel Nammer Klippe (286 Meter über NN).

Unter den nach Süden schroff abfallenden Klippen, am Eggeweg, wurden von den Pionieren mehrere etwa 20 Meter hohe Fichten geschlagen. Im Holzbau erfahrene Soldaten bearbeiteten die Stämme vor Ort, schnitten sie zu und verarbeiteten sie zu Bauholz. Weiteres Baumaterial brachten Pferdefuhrwerke auf den Bergkamm. Pionier-Hauptmann von Schrötten hatte zu jener Zeit die Bauleitung. Bald überragte die Turmkanzel die damals wie heute verkrüppelten Buchen beiderseits des schmalen Kammweges. Holzstiege führten empor zur oberen Plattform.

Schon nach kurzer Zeit konnten die Landvermesser den „Ausguck“ dienstlich nutzen. Zugleich setzte der von jenem Hauptmann ins Kalkül gezogene Nebeneffekt ein. Der Turm lockte die Besucher auf den Berg. Sein für die damalige Zeit genialer Einfall war für die Bewohner beiderseits des Berges zu einer Attraktion geworden: Man konnte von der oberen Kanzel aus, über die zahlreichen Weserwindungen hinaus, nicht nur bis weit in das lippische Bergland und in das „Kurhessische“ sehen, sondern den Blick nach Norden in die Norddeutsche Tiefebene und bis zum Steinhuder Meer schweifen lassen.

An Sonntagen setzte stets eine wahre Völkerwanderung zur „Alten Klippe“ ein, an der ein Eisengitter die Schaulustigen vor Abstürzen sicherte. Die Mindener und Bückeburger nutzten ihren sonntäglichen Kaffeeausflug nach Bad Nammen, wo wechselweise die Bückeburger Jäger und die Mindener Pionierkapelle zum Kaffeekonzert spielte, zum Abstecher auf die Klippen. Der freie Blick „von oben“ auf die Heimatstadt im Nordwesten oder Nordosten belohnte den schweißtreibenden Aufstieg.

„Fannys Ruh“, benannt nach Hauptmann von Schröttens Frau, wurde mit Ruhebänken ausgestattet. Über die Schlucht zwischen dem Westaufstieg zum Kamm und dem Nammer Pass, oberhalb des Foßbrinkes auf der Nammer und des „Stöhnebrinks“ auf der Lohfelder Seite, bauten die Pioniere eine Holzbrücke, um den Zugang zu erleichtern.

Etwa ein Vierteljahrhundert hat der Turm auf dem Bergkamm gestanden. Dann musste die Holzkonstruktion Wind und Wetter sowie der Belastung durch die vielen Auf- und Abstiege ihren Tribut zollen. Zudem schmälerten die Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1896 und der Bismarcksäule im Jahre 1902 als konkurrierende Anziehungspunkte die Attraktivität des schlichten Nammer Aussichtsturmes. Man verzichtete auf eine Sanierung und ließ an ihrem Standort der Natur ihren Lauf. Bis vor etlichen Jahren waren noch Reste des Eisengitters an der Felskante nach Süden eine letzte Erinnerung an Fannys Ruh.

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