„Nähe als Konzept“ - neue Wählergemeinschaft für Porta

„Nähe als Konzept“ - neue Wählergemeinschaft für Porta

„Wählergemeinschaft Porta - wir in Porta“, heißt die neue Wählerinitiative die im Januar gegründet wurde. Wir sprachen mit Dietmar Lehmann und Heinz Hauenschild über die Ziele und Chancen einer neuen politischen Kraft für Porta Westfalica.

Porta Magazin: Herr Hauenschild, Sie sind Gründungsmitglied, aber noch ohne offizielle Funktion?

Heinz Hauenschild: Ja, das ist richtig. Wir haben noch nicht allzu viel festgelegt. Ich möchte versuchen, die Sache im Sinne der Bürger voran zu bringen, denn die stehen für uns im Mittelpunkt. Die Bürger sollten bei den aktuellen Themen gehört und mitgenommen werden.

Porta Magazin: Herr Lehmann, Sie sind zunächst mal der Sprecher der Initiative. Wie ist der Fahrplan der Gründung?

Dietmar Lehmann: Aktuell sind wir dabei, die Vereinssatzung zu diskutieren. Sie liegt als Entwurf schriftlich vor, sie wurde am 16. Januar noch einmal diskutiert, um sie dann in einer abgestimmten Fassung gemeinsam auf den Weg zu bringen. Dazu gehört selbstverständlich die rechtliche Prüfung. Allerdings legt die Satzung zunächst noch keine Programmatik fest. Es geht zunächst nur um Organisationsform der Wählerinitiative. Rechtlich gesehen können wir auch keine Partei sein. Wir können uns nur in Form einer unabhängigen Wählergemeinschaft organisieren und als solche gibt man sich in der Regel eine Vereinssatzung.

Es gibt bereits auch eine Präambel, sie beschreibt recht allgemein unser Politikverständnis. Nähe als Programm – das heißt, wir wollen da anknüpfen, wo sich Vereine, Initiativen und Bürgerinnen und Bürger vor Ort im Rahmen gemeinwohlorientierter Zielsetzungen engagieren. Viele, die sich jetzt in unserer Wählergemeinschaft engagieren, kommen aus diesen Initiativen und Vereinen. Dieser ortsbezogene Politikansatz ist für uns zentral, damit wir vor Ort verankert sind und auch wirklich etwas von den Problemen vor Ort spüren, die die Menschen bewegen. Das mag bei der Schließung einer Bankfiliale anfangen und geht hin bis zur Verlagerung eines Schulstandorts. Das sind Punkte, die sensibel wahrgenommen werden müssen. Dabei geht es letztendlich um die Frage, wie werden sich die Ortsteile in den nächsten zwanzig Jahren entwickeln. Wie sieht unser unmittelbares Lebensumfeld zukünftig aus und wie können Veränderungsprozesse für die Menschen gestaltet werden. Die Sicherung der Daseinsfürsorge ist eine der zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre, auf die es gilt, zeitgemäße Antworten zu finden. Es geht u.a. um die Frage, wie es uns gelingen kann, unsere Dörfer gerade auch für junge Familien wieder attraktiv zu machen, damit der Land-Stadt-Flucht, der Urbanisierung Einhalt geboten wird. Um zukunftsfähig zu werden, müssen wir die ländlichen Räume stärken. Das ist eines unserer zentralen Ziele. Wir wollen gemeinsam dort anknüpfen, wo Bürger vor Ort bereits handeln und versuchen, neue Wege zu gehen, um ihr Lebensumfeld lebenswerter zu machen.

Porta Magazin: Steht die Stärkung des einzelnen Ortsteils der Identifikation mit Porta Westfalica als Stadt entgegen?

Dietmar Lehmann: Nein. Es geht um die Gesamtheit aller Ortsteile. Der Zusatz „Wir in Porta“, beschreibt bereits, dass es um das „wir“ geht, um alle Ortsteile und damit um die Stadt Porta Westfalica in ihrer Gesamtheit. Natürlich sind die Problemlagen in den einzelnen Ortsteilen verschieden. In Ortsteilen, in denen es vor dem Hintergrund rückläufiger Schülerzahlen um eine mögliche Schulstandortschließung geht, stehen für die Bürger und Bürgerinnen ganz andere Probleme und Herausforderungen im Zentrum, als zum Beispiel im Ortsteil Hausberge, wo es z.B. aktuell darum geht, u.a. Parkplätze für Pendler am Bahnhof vorzuhalten, ohne zu verhindern, dass es für das exponierte Gebäude eine Nachnutzung gibt.

Heinz Hauenschild: Ohne funktionierende Ortschaften ist ein Kern auch nicht denkbar. Das gehört alles zusammen. Wenn wir die Ränder stärken, stärken wir den Mittelpunkt automatisch mit.

Dietmar Lehmann: Insgesamt sind die strukturellen Herausforderungen für die einzelnen Ortsteile annähernd gleich, auch wenn es selbstverständlich Unterschiede gibt. Was alle Ortsteile verbindet, ist die Frage, wie wir mit den räumlichen Auswirkungen des Strukturwandels umgehen wollen. Dies betrifft ganz konkret unser unmittelbares Lebensumfeld. Wie können wir junge Familien gewinnen, die wieder zuziehen wollen? Wie kann es uns gelingen, die Schulstandorte in den einzelnen Orten zu sichern? Das Land Bayern hat zum Beispiel, um die ländlichen Räume zu stärken, eine Garantie zum Erhalt aller Grundschulstandorte als politische Vorgabe erlassen. Da gibt es Zwergschulen, mit sogenannten Kombiklassen, d.h. zwei Klassen werden gemeinsam unterrichtet. Das kann man prüfen, hier muss man fachliche Expertisen einholen. Ich will nicht nochmal in die Schuldebatte einsteigen, aber man hat an der Debatte sehr deutlich gemerkt, wie emotional aufgeladen dieses Thema vor Ort geführt wird. Schulen im ländlichen Raum sind Knotenpunkte des gesellschaftlichen Lebens. Sie sind Orte der Kooperation von Bildung, Sport und Kultur, wo viel mehr stattfindet, als Unterricht. So verstanden, ging es bei dem Bürgerentscheid um weitaus mehr. Es geht um das gefühlte Sein im Ort. Es geht um nichts weniger als die Frage, wie werden - und vor allem - wie wollen wir künftig in unseren Ortsteilen zusammen leben.

Porta Magazin: Sie sprechen die Schuldebatte an und wollen daran auch anknüpfen. Gleichzeitig betonen Sie, kein Krawallverein sein zu wollen. Fanden Sie, dass die Schuldebatte zu hart geführt wurde?

Dietmar Lehmann: Ich selbst war nicht in die Schuldebatte involviert und will sie nachträglich nicht kommentieren, in welcher Form sie geführt wurde. Mit dem Bürgerentscheid steht fest, dass die Schulstandorte in Porta Westfalica erhalten bleiben. Wir müssen jetzt sehen, wie wir zum Beispiel vernünftig und verträglich für alle Beteiligten den Umbau der Grundschule Neesen gestalten. Aber noch einmal, die Schuldebatte hat gezeigt, dass es um mehr geht, als nur Schule. Es geht um die Frage, wie Veränderungsprozesse für die Menschen insgesamt gestaltet werden. Wir müssen Antworten finden auf die Frage: Wie wollen wir z.B. im Jahr 2025 in unseren Ortsteilen leben. Viele Menschen machen sich Sorgen, wie sich der Strukturwandel in ihren Ortsteilen auswirken wird und dies kam u.a. in der Schuldebatte deutlich zum Ausdruck. Um ein anderes Beispiel zu nennen, u.a. geht es auch um den Erhalt der Musikschule oder der Bibliothek.

Porta Magazin: Nun sind Bibliothek und Musikschule interessante Beispiele, weil die ja nur als zentrale Standorte für die gesamte Stadt Porta Westfalica existieren können.

Dietmar Lehmann: Ja, das soll auch so bleiben, wobei man überlegen muss, wie später mal die Bibliotheksnutzung aussehen wird. Wir haben einen sinnvollen Verbund mit der Stadt Bad Oeynhausen und sind im OWL-Verbund an die sogenannte OnleiheOWL angebunden. In Zukunft wird sich die Frage stellen, ob man Bücher noch als gedruckte Werke aus der Bibliothek trägt oder ob es ein ganz anderes System gibt. Der Trend zur Onleihe wird bereits jetzt immer stärker. Was gleichzeitig aber auch deutlich wird, Bibliotheken spielen als zentraler Ort der Kommunikation und des Zusammentreffs eine immer bedeutsamere Rolle. Insofern ist es wichtig, zentral in Hausberge eine Bibliothek vorzuhalten. Sie gehört zur Daseinsfürsorge. Allerdings müssen wir uns immer und fortwährend die Frage stellen, was wir tun müssen, damit unsere Bibliothek auch in Zukunft richtungsweisend aufgestellt sein wird. Ich halte es für enorm wichtig, dass die Bürger hier vor Ort ein Bibliotheksangebot, ein Musikschulangebot und ein Schwimmbad haben.

Porta Magazin: Auch wenn es defizitär ist... 

Heinz Hauenschild: Ja, wenn wir daran denken, wie viele junge Menschen nicht mehr schwimmen können, weil sie das Schwimmen nicht lernen konnten, weil die Voraussetzungen nicht da waren – das kann so nicht weiter gehen. Hier in Porta ist es noch recht positiv, wir haben ja das Porta-Bad. Das wollen wir auf jeden Fall erhalten. Die Defizite sind wesentlich verringert worden durch die neue Struktur. Die Stadtwerke haben ja die Funktion als Pächter und nehmen diese Funktion sehr gut wahr. Das Bad wird besser angenommen als in der Vergangenheit und das ist ein großer Erfolg. Unterm Strich stehen ein überschaubares Defizit und ein gutes Angebot. Auch bei Musikschule und Bücherei kann man nicht von Kostendeckung reden. Aber die Kosten sind überschaubar und das Angebot muss vorgehalten werden.

Dietmar Lehmann: Es kann aber nicht sein, dass wir uns als eines der reichsten Länder der Welt keine Musikschule, kein Schwimmbad oder keine Bibliothek leisten können. Solche Debatten dürfen und sollten wir nicht führen, dafür haben die Bürger kein Verständnis. Mit Blick auf ein solches Szenario kann ich nur sagen, dann stimmt etwas mit den Verteilungsstrukturen in der Gemeindefinanzierung nicht. Gerade bei Flächenkommunen ist die Finanzausstattung nicht stimmig. Darüber muss man reden, gefordert ist eine Bereitstellung ausreichender Landesmittel.

Porta Magazin: Und gleichzeitig muss man sich mit den momentanen Gegebenheiten des städtischen Haushalts in der Realität auseinander setzen...

Heinz Hauenschild: Das ist richtig. Aber wir sind auf einem guten Wege. Das ist der guten Wirtschaftslage geschuldet. Wir haben in den vergangenen Jahren 63 Millionen Euro Schulden abgebaut. Das ist schon eine Hausnummer. Ich hoffe, das geht so weiter. Wir sind natürlich nicht gefeit vor Konjunkturrückgängen. Aber wenn ich die Gewerbesteuereinnahmen sehe, ist das eine positive Entwicklung.

Dietmar Lehmann: In diesem Zusammenhang muss man auch die Frage stellen, was kann die Stadt tun, damit die Gewerbeansiedlung weiter gestärkt wird. Dies fängt beim Breitbandausbau an und hört bei der Bereitstellung geeigneter Gewerbeflächen auf.

Porta Magazin: Und bei der Förderung der weichen Standortfaktoren...

Dietmar Lehmann: Natürlich, ganz wichtig. Und dazu gehören eben Bibliothek, Musikschule und Schulstandorte.

Heinz Hauenschild: Zu den weichen Standortfaktoren zähle ich auch den Tourismus. Nicht nur Gäste, sondern auch die Bevölkerung kann unsere fantastische Gegend erleben. Es muss noch mehr herausgestellt werden, was wir an Schätzen haben. Wer weiß denn schon, dass wir über 40 verschiedene Sehenswürdigkeiten allein auf dem Wittekindsberg haben. Das müssen wir noch besser vermarkten und weiter entwickeln. Ich habe es zum Beispiel für eine Utopie gehalten, über eine Seilbahn zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal nachzudenken. Inzwischen bin ich der Meinung, dass es ist wichtig ist, dass wir eine Seilbahn bekommen, um die Verkehrsströme einzudämmen und zentral, beispielsweise vom Bahnhof, zum Denkmal zu gelangen.

Dietmar Lehmann: Generell gilt - mit Blick auf das Gesagte -, dass es eine abgestimmte programmatische Ausrichtung unserer Wählergemeinschaft noch nicht gibt. Wir stehen in einem intensiven Diskussionsprozess.

Porta Magazin: Wie schätzen Sie Ihre Chancen bei der kommenden Kommunalwahl ein?

Dietmar Lehmann: Nach ersten Reaktionen, die man privat hört, ist die Resonanz positiv. In Porta Westfalica fehlt bislang eine freie Wählergemeinschaft, die sachbezogen Politik machen möchte. Ich sehe in der unabhängigen Wählergemeinschaft eine positive Ergänzung zum bisherigen Parteienspektrum im Rat. Wie das Ergebnis nach der Kommunalwahl 2020 aussehen wird, kann man in Prozent selbstverständlich noch nicht sagen. Soweit sind wir noch nicht. Erst einmal müssen wir uns auf eine gemeinsame Programmatik verständigen. Aber die Anzahl der Bürgerinnen und Bürger, die mitmachen und die Initiative unterstützen wollen, nimmt ständig zu. Wünschenswert wäre, dass möglichst viele der interessierten Bürgerinnen und Bürger aus verschiedenen Ortsteilen kommen, damit alle 15 Ortsteile wirklich auch in unserer Wählergemeinschaft vertreten sind.

Heinz Hauenschild: Porta ist die letzte Kommune im Kreis, die eine unabhängige Wählergemeinschaft bekommt. Alle anderen Kommunen haben entsprechende Wählergemeinschaften und es ist an der Zeit, dass wir hier nachziehen.

Porta Magazin: Sie wollen Wählern eine Alternative bieten, die mit den etablierten Parteien unzufrieden sind, aber ihre Stimme auch nicht Populisten geben wollen. Lässt sich sagen, dass in Kommunen mit Wählergemeinschaften populistische Parteien weniger Erfolg haben?

Dietmar Lehmann: Das lässt sich nur schwer beantworten. Sicher ist, dass eine Wählergemeinschaft die Demokratie vor Ort belebt, weil der Diskurs breiter und vielleicht auch sachbezogener geführt wird. Der Diskurs orientiert sich nicht an Parteilinien sondern an der Sache. Unsere Wählerinitiative richtet sich auch nicht gegen die im Rat vorhandenen Parteien. Es kann sein, dass wir uns in einzelnen Sachfragen mal in die eine oder andere Richtung positionieren. Da legen wir uns nicht fest. Zunächst werden wir versuchen, konkret an den Problemen vor Ort anzusetzen und Lösungsstrategien zu entwickeln, die Antworten geben auf die räumlichen Auswirkungen des Strukturwandels. Ob es uns gelingen wird, Menschen aufzufangen, die unzufrieden sind und sonst Populisten wählen würden, weiß ich nicht. Wir hoffen, dass wir diese Menschen überzeugen können und dass es mit unserer Wählergemeinschaft noch eine andere „Alternative“ gibt.

Porta Magazin: Wie können sich Interessierte über die Wählergemeinschaft Porta informieren?

Dietmar Lehmann: Leider haben wir noch keine eigene Homepage. Wir sind zunächst eine wachsende Gruppe interessierter Bürgerinnen und Bürger. Es geht es um das Festlegen einer Programmatik, es geht um die Frage, wie wir uns organisieren und mit welcher Satzung. Danach folgt die Diskussion der einzelnen Handlungsfelder. Diese Themen wollen wir zunächst in einer zahlenmäßig überschaubaren Größe diskutieren. Sobald Kernaussagen unseres Politikverständnisses vorliegen, haben wir vor, in die Ortsteile zu gehen. Wir möchten die Menschen vor Ort einladen, uns zu begleiten, gemeinsam zu diskutieren und ihre Ideen einzubringen. Wir setzen auf das innovative Potenzial der Menschen vor Ort. Sie sind es, die wertvolle Erfahrungen einbringen, damit wir die Veränderungsprozesse gemeinsam gestalten. Wer den dringenden Wunsch hat, schon jetzt mitzuarbeiten, kann sich direkt an Heinz Hauenschild oder mich wenden.

Das Gespräch führte Mario Hancke

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