Kaya Yanar: "Werde ich oder die Welt bekloppter?"

Kaya Yanar: "Werde ich oder die Welt bekloppter?"

Kaya Yanar war in Minden zu Gast. In der ausverkauften Kampa-Halle begeisterte er die Besucher rund zwei Stunden lang mit seiner Sicht auf die Dinge und vor allem den alltäglichen Wahnsinn, der einen schon mal ausrasten lassen kann. Wir hatten vor dem Auftritt die Möglichkeit, Kaya Yanar ein paar Fragen zu stellen.

Porta Magazin: Kaya, Dein aktuelles Programm heißt „Ausrasten für Anfänger“. Was erwartet die Zuschauer in Deiner Show?

Kaya Yanar: Es ist eine Art Gruppentherapie. Ich raste auf der Bühne rund zwei Stunden aus und wundere mich, ob ich bekloppter werde oder die Welt um mich herum. Diese Frage kann jeder für sich beantworten, weil er sich in meinen Ausrastern entweder wiederfindet oder nicht. Wenn er sich wiederfindet und das durch lachen signalisiert, dann merke ich: Oh, jetzt sind es 2001 Leute, die einer Meinung sind und über Dinge ausrasten, die wahrscheinlich aus der Spannung heraus kommen, dass man andere Erwartungen an die Welt hat und die Welt diese nicht erfüllen kann. Ein ganz banales Beispiel sind die Gepäckbandsteher am Flughafen, die das Gepäckband abriegeln. Man kommt nicht an seinen Koffer, weil diese Leute sich ein Platz am Band reserviert haben. Fehlt noch das Handtuch! Wenn die Zuschauer anfangen zu lachen, weiß ich, dass sie sich damit identifizieren können und sich auch über die Gepäckbandsteher aufregen. Man hat dann ein Gemeinschaftsgefühl, weil man wenigstens nicht allein ist mit seinen Problemen in der Welt. Mir hilft es, wenn die Leute lachen und den Leuten hilft es, dass sich einer für sie stellvertretend darüber aufregt.

Porta Magazin: Das was Du dort verarbeitest, lässt Dich also auch im wirklichen Leben aus der Haut fahren?

Kaya Yanar: Absolut! Ich rege mich zum Beispiel viel über Eltern auf. Ich sehe ganz viele Eltern, die mit ihren Kindern einfach nicht richtig umgehen, die sie schütteln, anschreien oder sogar schlagen. Darüber rege ich mich wahnsinnig auf. Ich verstehe nicht, wie man ein Kind in die Welt setzen kann und dann das Kind nicht gut behandelt. Ich bin dafür, dass ein Elternführerschein eingeführt wird. Bevor ich überhaupt erklären kann, was das ist, gibt es schon tosenden Applaus, weil die Leute wissen, was ich meine. Natürlich mache ich dazu blöde Vorschläge. Ich bin ja Komiker und nicht Politiker. Aber es ist großartig, welche Zustimmung aus dem Publikum kommt. Ich treffe wohl den Nerv der Zeit mit solchen Themen.


Porta Magazin: Du hättest selbst gern Kinder, hast aber bisher noch keine. Engagierst Du Dich anderweitig für Kinder?

Kaya Yanar: Ja, ich habe ein Herz für Kinder. Ich bin einer der wenigen Komiker, die Rabatte auf die Tickets für Kinder geben. Kinder müssen bei Comedy meist den Vollpreis zahlen. Das verstehe ich gar nicht. Selbst in öffentlichen Verkehrsmitteln gibt es Kinderpreise, im Museum, im Theater, bei Zirkusvorführungen und so weiter. Bei Comedy komischerweise nicht. Ich gebe 50 Prozent Rabatt auf die Kindertickets. Aber das ist mir nicht genug. Ich besuche auch die Kinder, denen es nicht gut geht. Ich bin seit sechs Jahren der Kinderkrebsklinik in Tübingen verbunden. Die besuche ich regelmäßig. Also die Kinder, die nicht zu mir kommen können, weil sie die Station nicht verlassen können, zu denen gehe ich, spiele den Weihnachtsmann, bringe sie zum Lachen, bringe eine DVD mit oder Geschenke. Vor allem schenke ich ihnen ein bisschen Aufmerksamkeit. Außerdem mache ich regelmäßig Benefiz-Gigs, damit etwas Geld für die Ausstattung, für Spielsachen und für in die Forschung zusammen kommt. Das mache ich auch dieses Jahr wieder Mitte Dezember in Stuttgart mit Martin Rütter. Da bin ich schon engagiert. Kinder sind mir sehr wichtig.

Porta Magazin: Du improvisierst viel, gehst in die Interaktion mit den Besuchern. Wie bereitest du Dich auf eine Show vor?

Kaya Yanar: Gar nicht. Das soll sich nicht abgehoben anhören. Ich muss eigentlich nur dafür sorgen, dass es mir an dem Tag gut geht, dass ich nicht gestresst bin, dass ich ausgeschlafen bin, dass ich mich gut ernährt habe und mal an der frischen Luft war. Ich muss nur gut gelaunt auf die Bühne kommen. Dafür kann ich sorgen. Der Rest kommt durch eine 20-jährige Berufserfahrung und Routine.

Porta Magazin: Man sagt, der Westfale sei stur. Ist es tatsächlich ein Unterschied, ob man in Minden bzw. Bielefeld auftritt oder beispielsweise im Rheinland?

Kaya Yanar: Nein, ich glaube das kann man bei mir so nicht sagen. Egal, was für einen Charakterzug man einer Region zuordnet – in dem Moment, wo die Leute voller Erwartungen in der Halle sind und sich freuen, unterhalten zu werden, ist das schon eine gewisse Ausnahmesituation. Der Besucher ist im Theater nicht so, wie er vielleicht im Alltag ist. Es gibt einfach eine gewisse Bereitschaft, sich unterhalten zu lassen. Sonst würde man ja nicht das Geld für eine Karte ausgeben oder Zeit investieren. Ich toure seit 20 Jahren durch die ganze Republik und habe das Glück, dass ich überall gute Fans habe.

Porta Magazin: Wann hast Du Dein komisches Talent erkannt und wann hast Du bemerkt, dass das eine hauptberufliche Angelegenheit wird?

Kaya Yanar: Erkannt habe ich das in der Pubertät mit 14, 15, 16 Jahren. Da habe ich meine Kumpels alle zum Lachen gebracht. So mit 25 habe ich gemerkt: Oh, man kann damit Geld verdienen. Ich muss nicht mehr weiter studieren. Spätestens als ich den Fernsehvertrag für „Was guckst du...“ 2001 in der Tasche hatte, wusste ich: Das ist mein Beruf.

 

„Medizin war mir zu anstrengend und für BWL war ich zu doof…“



Porta Magazin: Du arbeitest sehr viel mit Dialekten und Phantasiesprachen. Wie lange musst Du üben, bis Du so eine Nummer Bühnenreif drauf hast?

Kaya Yanar: Ich mache das nicht so bewusst und bereite mich nicht akribisch darauf vor. Das kommt beispielsweise durch Auslandsaufenthalte, bei denen ich ganz viele Wörter aufschnappe. Wenn ich die Wörter nett finde, bleiben sie haften. Das ist eine unbewusste Geschichte. Ich habe noch nicht ausmachen können, woran das liegt. Ich beschäftige mich mit den Wörtern, habe Interesse an der Sprache. Vieles wiederhole ich für mich im Kopf, nerve meine Freundin mit gewissen Ausdrücken und dann merke ich, dass ich Lust habe, das auf die Bühne zu bringen und es entstehen Nummern daraus.

Porta Magazin: Hilft Dir, was Du im Phonetikstudium gelernt hast? Und vor allem: Wozu studiert man überhaupt Phonetik, wenn man keine Chinesen nachmachen will?

Kaya Yanar: Ich hatte keine andere Möglichkeit gesehen, weil mich Jura gar nicht interessiert hat, Medizin zu anstrengend war und für BWL war ich zu doof, weil ich in Mathe immer schlecht war. Das kam für mich nicht infrage, also habe ich erstmal ein Interessenstudium gemacht. Aber ich habe mich aber auch schnell gefragt, was ich denn später mal werden will. Bafög mit Arbeitslosengeld zurückzahlen, habe ich dann gedacht... Das wird natürlich nichts. Darum war ich sehr froh, dass sich der Comedyweg aufgetan hat. Das Interesse für Sprachen ist immer geblieben, aber ich glaube nicht, dass mir das Phonetikstudium wahnsinnig geholfen hat.

 

 

„In erster Linie bin ich Mensch und nicht Komiker“


 

Porta Magazin: Du wechselst in Interviews und in Deinen Shows fliegend von Kaya zu Ranjid, zu Hakan und wieder zurück. Kannst Du das im Privatleben abstellen oder gehören die beiden fest zu Dir?

Kaya Yanar: Natürlich ist es der Kaya, der die Figuren spielt und nicht umgekehrt. Wenn es ein Syndrom wäre, dass die Figuren rauskommen, würde es kritisch werden und ich müsste zum Psychologen. Aber ich ärgere gerne mal meine Freundin mit den Figuren, die sie natürlich lustig findet, aber manchmal auch unpassend. Wenn wir beispielsweise im Bett kuscheln und Ranjid sich meldet, findet sie das nicht sehr erotisch. Das sind Dinge, mit denen ich Leute erheitern kann, aber ich bin der Kaya, der in Rollen schlüpft und bis jetzt zum Glück noch nicht umgekehrt.

 

Porta Magazin: Wie kannst Du am besten abschalten vom Comedy?

Kaya Yanar: Mit meiner Freundin auf jeden Fall. Wir haben gemeinsame Erlebnisse und Gespräche. Reiten ist eine schöne Sache. Wandern hilft mir, Massage, Reisen... Ganz einfache, fast schon spießige Sachen. Schon für eine gewisse Zeit nicht auf der Bühne zu stehen, normalisiert mich. Zuhause muss ich mich mit dem Thema Comedy nicht unbedingt beschäftigen. Da bin ich einfach privat. In erster Linie bin ich Mensch und nicht Komiker. Wenn ich weiß, dass die Tour oder Fernsehproduktion wieder anfängt, kann ich wieder der Arbeit nachgehen, die ich sehr liebe.

Porta Magazin: Wie findet Deine Freundin es, dass Du das Leben mit ihr bzw. den Kampf Deiner Zahnbürste um die sieben Kacheln im Bad in Deinen Shows unterbringst?

Kaya Yanar: Das ist natürlich schon was Privates, aber es hat nicht diesen „Bild der Frau“, „Gala“ oder „Bunte“-Charakter. Es ist ja nicht so, dass wir aufmerksamkeitsheischend etwas von uns preisgeben, damit wir irgendwo stattfinden. Die Geschichten sind auch nicht wahnsinnig tiefenpsychologisch, sondern etwas, das jeder kennt. Es geht um die Tücken des Alltags, des Zusammenlebens. Das ist etwas, worüber man Spaß machen kann, wo man aber der Privatsphäre nicht unbedingt zu nahe tritt. Sie lacht darüber und hat kein Problem damit. Wenn ich auf der Bühne über Sehnsüchte, Wünsche, Ängste reden würde, was sehr intim ist, dann wäre es ein anderes Thema.

Porta Magazin: Kaya, vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Gespräch führte Mario Hancke, Foto: Nadine Dilly.

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