Joanna Steinmann: „Bin ich schon integriert oder muss ich weg...?

Joanna Steinmann: „Bin ich schon integriert oder muss ich weg...?

„Ein großer Unterschied zwischen Polen und Deutschland liegt in der Bürokratie. In Deutschland muss man viel schreiben, in Polen viel schmieren...“ Dieses humorige Klischee stammt aus der Feder von Joanna Steinmann. Seit 14 Jahren lebt die aus Polen stammende Hausbergerin in Deutschland.

Inzwischen hat sie die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie ist verheiratet, hat vier Kinder, einen Job und den Kopf immer voller Ideen. „Ich komme aus einer großen, kreativen Familie“, sagt sie. Neben gestalterischen und kunsthandwerklichen Dingen liegt ihr das Schreiben. Am 17. November tritt sie mit einem eigenen Stand Up Comedy-Programm im Bürgerhaus in Hausberge auf und auch ein Auftritt im Quatsch Comedy Club steht bereits auf dem Plan. Das Porta Magazin sprach mit Joanna Steinmann über ihre künstlerische Ader, Schicksalsschläge und die Kunst, das Leben zu nehmen wie es kommt. Ein beeindruckendes Interview.

                                                                                           

PM: Frau Steinmann, im November treten Sie im Bürgerhaus auf. Was erwartet die Zuschauer in Ihrer Show?

Joanna Steinmann: Ich habe sehr viele Themen, aber ich habe mich erstmal nur auf ein Thema konzentriert: Deutsch-polnische Klischees und Verhältnisse. Eventuell kann ich noch andere Themen anschneiden. Das mache ich dann spontan, je nachdem wie das Publikum reagiert. Manchmal ergibt sich was, aber vom Grundsatz her wollte ich es bei dem einen Thema belassen. Das nimmt schon etwa eine Stunde in Anspruch.

 

PM: Wie lange machen Sie schon Comedy und wie sind Sie dazu gekommen?

Joanna Steinmann: Vor fünf Jahren war ich schwer an Magenkrebs erkrankt. Ich hatte trotz schlechter Prognose das Glück, die Krankheit zu überleben. Dann habe ich überlegt, was ich aus meinem Leben machen kann und welche Fähigkeiten ich wieder einsetzen kann. Ich habe in Polen Philologie studiert und war auch Autorin. Das war natürlich etwas anderes, weil es in meiner Muttersprache war. Mit lustigen Geschichten hatte ich da schon mal meine kleinen Erfolge, aber in sehr kleinem Rahmen. Da war ich noch sehr jung. Nun war ich soweit, dass ich das auch auf Deutsch schreiben konnte. Es war schon eine große Barriere, erst einmal deutsch zu lernen. Meinen Akzent bekomme ich nicht weg. Jetzt nutze ich ihn halt und baue ihn ins Programm ein. Es gibt ja in der Comedy einen Ausländer-Boom. Warum soll man es nicht auch mal mit Polen machen.

Ich bin dann mal beim Karneval oder in kleinem Rahmen irgendwo aufgetreten. Im Laufe der Zeit ist einiges an Material zusammen gekommen. Im Januar habe ich dann im Galeriecafé in Hausberge ein kleines Event organisiert, wo ich mein Programm vorgestellt habe. Es war nicht so perfekt, aber es war das erste Mal, ich wollte mich und mein Programm auf einer Bühne vor Publikum ausprobieren. Das war quasi ein Testlauf. Ich brauchte auch ein Video, weil ich mich beim WDR für die Ladies Night bewerben wollte. Mit dem Video habe ich mich dann gleich mehrfach beworben und wurde tatsächlich zum Quatsch Comedy Club eingeladen. Für Ladies Night reicht es noch nicht. Da benötigt man etwas mehr Bühnenerfahrung. Jetzt habe ich viele kleine Auftritte selbst organisiert. Im Klinikum Bad Oexen trete ich alle drei Wochen für krebskranke Menschen auf. Da konnte ich schon viel Sicherheit gewinnen und analysieren, was ankommt, was verstanden wird und was nicht.

 

PM: Wann werden Sie im Quatsch Comedy Club auftreten?

Joanna Steinmann: Das wird im Januar oder Februar 2018 sein. Ende Oktober soll ich einen festen Termin bekommen. Es steht noch nicht ganz fest. In der Talentschmiede sind immer zehn Newcomer pro Show. Es haben noch nicht alle potentiellen Teilnehmer geantwortet, darum muss man noch etwas abwarten. Wenn es feststeht, wird es aber noch Tickets für die Show geben. Einige Leute aus Hausberge wollten gerne mitkommen.

 

PM: Was machen Sie im „wirklichen Leben“?

Joanna Steinmann: Beruflich bin ich Betreuerin im Ganztag einer Mindener Grundschule. Außerdem betreibt mein Mann im Nebenerwerb die Firma Raumausstattung best&jost, in der ich mich gerne einbringe. Wir müssen aber etwas kürzer treten, weil mein Mann letztes Jahr einen Schlaganfall hatte.

 

PM: Oje, wenn beide Elternteile so schwer erkranken, ist das für Ihre vier Kinder auch nicht einfach...

Joanna Steinmann: Das ist wirklich nicht lustig, aber das ist die Ironie des Lebens. Es gibt so viele Dinge, wo man denkt, das kann doch jetzt nicht wahr sein, warum denn wir schon wieder? Aber ich versuche trotzdem immer wieder, das Positive zu sehen. Jeder Rückschlag stärkt uns. Wir können es nicht ändern, also müssen wir es hinnehmen und unsere Kraft für das Weitermachen daraus ziehen.

 

PM: Würden Sie die Comedy gerne hauptberuflich machen?

Joanna Steinmann: Ja, das würde ich sehr gerne. Mein Mann unterstützt mich sehr und wenn es sich ergibt, würde ich das gerne ausweiten. Wenn nicht, dann trete ich auch gerne weiter in kleinem Rahmen auf. Das macht auch richtig Spaß. Warten wir es mal ab. Ich lasse mich überraschen, wie sich das entwickelt.

 

PM: Haben Sie in der Comedy-Szene Vorbilder, die Sie inspirieren?

Joanna Steinmann: Thomas Hermanns. Nicht unbedingt als Comedian, aber als Moderator, Entertainer und Unternehmer. Ich habe früher immer den Quatsch Comedy Club gesehen, obwohl ich nicht alles verstanden habe. Aber ich fand ihn als Person klasse. Da hin zu kommen, war schon ein Stück weit Ansporn, deutsch zu lernen. Das hat fast zehn Jahre gedauert. Eine andere Person, die ich bewundere, ist Desiree Nick. Ich weiß, dass viele Menschen sie nicht mögen, aber ich bewundere sie für ihren Mut, alles auszusprechen, was ihr auf der Leber liegt. Sie ist ehrlich. Und zwar immer.

 

PM: Warum funktioniert Ethno-Comedy, wo wir doch sonst immer darauf bedacht sind, politisch korrekt zu sein?

Joanna Steinmann: Ich glaube, es gab schon immer eine gewisse Konkurrenz zwischen den Völkern. Die Menschen haben sich schon früher gegenseitig verspottet und fanden die Schwächen der anderen lustig. Alles was anders ist, ist immer auch interessant. Man erfährt auf lustige Weise etwas über andere. Man lacht ja auch lieber über andere, als den Blick ironisch auf sich selbst zu lenken.

 

PM: Wir erleben derzeit eine Tendenz zum Nationalismus. Glauben Sie, dass Ethno-Comedy dazu beitragen kann, Vorbehalte zu reduzieren und für eine offenere Gesellschaft zu werben?

Joanna Steinmann: Ich glaube nicht, dass Comedy viel ändern kann. Es ist erschreckend in welche Richtung sich viele Länder in Europa politisch entwickeln. Ich komme aus einer Generation, die dafür gekämpft hat, dass Polen liberaler wird und sich öffnet. Nun geht es wieder in die andere Richtung. Das ist schon schlimm. Auch in Ungarn, Österreich, der Türkei geht es in eine Besorgnis erregende Richtung. Und natürlich hier in Deutschland, das macht einem schon Sorgen. Es ist noch nicht die Zeit, darüber zu lachen. Das werden vielleicht die Generationen nach uns mal anders sehen. Im Moment finde ich das sehr beunruhigend. Wer politisch rechts ist, wird rechts bleiben und seine Meinung nicht so schnell ändern. Daran ändert ein Comedian wohl leider nichts.

 

PM: Vielen Dank für dieses offene Gespräch.

Das Gespräch führte Mario Hancke.

 

 

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