Florian Schroeder: „Satire ist Nachdenken mit unterhaltsamen Mitteln“

Florian Schroeder: „Satire ist Nachdenken mit unterhaltsamen Mitteln“

Am 22. September kam es im Ratsgymnasium Stadthagen zum „Ausnahmezustand“. Der aus Radio und Fernsehen bekannte Kabarettist Florian Schroeder sezierte philosophisch, anarchisch und wortgewandt die große Politik und die kleinen Merkwürdigkkeiten. Das Porta Magazin hatte die Möglichkeit, Florian Schroeder vorab ein paar Fragen zu stellen.

PM: Herr Schroeder, warum sollte man ihre Show "Ausnahmezustand" nicht verpassen?

Florian Schroeder: Sie sollten die Show nicht verpassen, weil sie einen sehr lustigen und nachdenklichen Abend rund ums Thema Ausnahmezustand erleben werden. Ich frage mich, warum das Gute weiblich ist, das Böse aber männlich. Ich gucke mir an, warum Angela Merkel die Helene Fischer der Politik ist. Ich gucke mir an, warum Männer viel häufiger zu Straftätern werden und ob die smarte Demokratie, die Demokratie 4.0 sozusagen, in der wir alles online machen, wirklich nur gut oder auch böse ist. Und dann gibt es natürlich auch aktuelle Politik.

 

PM: Was die aktuelle Politik betrifft: Die Herren Seehofer, Spahn, Trump und Co. hören nicht auf, die Welt mit ihren Ideen zu beglücken, sobald Sie Ihr Programm fertig geschrieben haben. Entwickeln Sie Ihre Show während der Tour weiter?

Florian Schroeder: Ich entwickle weiter. Jeden Tag sogar. Man kann allerdings kein ganzes Programm auf Tagesaktualität aufbauen. Es wäre auch langweilig für das Publikum, wenn man immer nur den üblichen Verdächtigen hinterherläuft. Darum gibt es auch einen Teil, der beständig ist. Aber auch da nehme ich Veränderungen vor. Im Kern ist es tatsächlich so, dass die letzte Show am Ende einer Tour nach drei Jahren mit der ersten fast nichts mehr zu tun hat. Für mich heißt „Satiriker sein“ auch „auf Ballhöhe sein“. Die Zuschauer bekommen von mir auf jeden Fall etwas zu dem geliefert, was tagsüber oder am Tag zuvor passiert ist. Ich langweile mich ja sonst auch, wenn ich jeden Abend das Gleiche erzählen muss. Es unterhält mich und das Publikum mehr, wenn ich nicht faul bin und was am Programm ändere.


PM: Wann haben Sie Ihr kabarettistisches Talent entdeckt?

Florian Schroeder: Relativ früh in der Schule aus der Not. Ich war 13 oder 14, schlecht in Sport und ein Außenseiter. Dann habe ich angefangen, meinen Sportlehrer zu parodieren, um aus der Situation rauszukommen, dass ich nicht einmal eine Rolle vorwärts hinbekommen habe. Das hat gut funktioniert. Die Leute haben sich schon gefreut, wenn ich wieder dran war. Ich habe dann dieses parodistische Talent ausgeweitet vom Sportlehrer auf Kohl, Blüm, Waigel und alle, die damals in den 90er Jahren so aktuell waren. Von da an hatte sich meine Rolle in der Schulklasse generell verändert. Plötzlich war ich der Star im Schullandheim.


PM: Mit 14 Jahren waren Sie dann auch schon in der Fernsehshow von Harald Schmidt. Wie ist dieser Kontakt zustande gekommen?

Florian Schroeder: Ich hatte mich da beworben. Ich wollte unbedingt zum Fernsehen. Also habe ich auf eine Kassette aufgenommen, wie ich Kohl und die anderen parodiere und habe das hingeschickt. Die fanden vor allem kurios, dass ein 14-jähriger die Traute hat, sich beim Fernsehen zu bewerben und auch schon ein ganz gutes parodistisches Talent hat. Daraufhin luden die mich dann tatsächlich ein.

 

PM: Mir ist aufgefallen, dass Sie auf Ihren Social Media Kanälen mit den Usern interagieren und Sie haben einen sehr ordentlichen Umgangston auf Ihrer Seite. Wie schaffen Sie das und wie viel Zeit müssen Sie in diese Medien investieren?

Florian Schroeder: Das macht schon viel Arbeit, aber es macht auch viel Freude. Insbesondere Twitter, aber auch Facebook sind weit mehr als Medien, in denen man in eine Richtung sendet und Gags raushaut, sondern das hat was mit Debatte zu tun. Das hat auch was damit zu tun, Meinungen, Positionen, Gedanken und Assoziationen tagebuchartig zu posten, die man in diesem Moment hat, für die es aber sonst keine Verwertung gibt. Also Dinge, die ich in keinem Programm und keiner TV-Sendung verwende, sondern die nur für diesen Moment da sind. Das ist ein wunderbarer Kanal, um sich auszuprobieren. Wenn man in der Position einer öffentlichen Person ist und solche Kanäle bedient, dann macht man es entweder gar nicht oder man macht es richtig. Und dann muss ich natürlich auch den Tonfall selbst vorleben, den ich mir als Umgangston wünsche. Wenn ich selbst anfange, mich in Beleidigungen zu ergehen, muss ich mich nicht wundern, wenn das Echo genauso ist.


PM: Reicht das oder müssen Sie gegebenenfalls auch mal sagen: Dieser Kommentar hat auf meiner Seite nichts verloren?

Florian Schroeder: Ich versuche, relativ viel zuzulassen, weil ich der Meinung bin, dass man als Satiriker nicht die Meinungs- und Pressefreiheit hochhalten, aber auf der anderen Seite empfindlich werden kann, wenn es um einen selbst geht. Ich lasse Kritik an mir zu und selbst wenn jemand in einem Tonfall schreibt, der mir nicht passt, lasse ich das stehen. Ich greife ein, wenn es in den Bereich der persönlichen Beleidigung und Bedrohung geht. Dann werden die Personen gesperrt und die Sache ist erledigt. Am Ende soll es auf diesen Seiten zugehen, wie in meinem Wohnzimmer. Wenn ich mir Leute einlade, dann lade ich ja auch niemanden ein, der mir in die Ecke kotzt und die Bude zerlegt. Natürlich dürfen sie auch bei mir zuhause meine Person in Frage stellen, hinterfragen oder falsch finden, was ich sage, aber sie sollten nicht anfangen, die Gläser mit dem Rotwein an die Wand zu werfen. Wer das macht, fliegt eben raus.


PM: Wenn Sie über Politik reden, ist der Übergang zwischen sorgenvoller Ernsthaftigkeit und Witz fließend. Würden Sie sagen, dass der ganz normale Wahnsinn nur noch mit Humor zu ertragen ist?

Florian Schroeder: Unbedingt! Das ist auch der Grund, warum ich diesen Beruf ausübe. Es ist nachdenken mit sehr unterhaltsamen Mitteln. Ich meine, diese schöne Definition ist von Hanns Dieter Hüsch. Die Leute sollen über all das lachen, ja. Aber natürlich hat sich die Zeit auch verändert. Als ich angefangen habe in den Nullerjahren, waren die Zeiten unbeschwerter. Es kommt zurzeit schon ein Konglomerat an gefährlichen Momenten zusammen, von Trump über Erdogan, der Nationalismus, der ja ein weltweiter Trend ist, die Faszination des Autoritären... Das ist schon eine neue Situation, der man auch anders begegnen muss. Da kann man sich nicht nur mit lustigen Witzen aufhalten. Da geht es ans Eingemachte und da bemerke ich auch, dass sich die Haltung des Publikums verändert hat. Nach meiner Wahrnehmung sind die Leute deutlich mehr auf der Suche nach Antworten. Daraus entsteht eine neue Offenheit, sich einzulassen, auch auf komplexere Zusammenhänge. Das heißt nicht, dass ich zum Prediger werde. Das möchte ich auch gar nicht. Aber die Leute haben Lust, jemandem zuzuhören, der vielleicht mit Glück eine Position vertritt, eine Idee oder einen Zugang hat, den sie selbst noch nicht hatten. Sie müssen nicht allem zustimmen, darum geht es gar nicht. Aber das Publikum scheint sich wieder mehr auseinander setzen zu wollen, im Gegensatz zu vor ein paar Jahren, wo man mit vielen, schnellen Gags auch einen guten Abend haben konnte und ganz gut durchkam.


PM: Wir haben vorhin schon Ihre legendären Parodien angesprochen. Gibt es Personen, die Sie besonders gern parodieren?

Florian Schroeder: Immer die, die nicht schon von allen gemacht worden sind. Im Moment sind das Figuren wie Christian Lindner und Markus Lanz. Joachim Löw ist nun nicht ganz neu, aber es macht natürlich Freude, wenn man das Gefühl hat, dass man Figuren sehr präzise trifft. Bei Löw ist der Vorteil, dass ich genau aus der Gegend komme, aus der er auch kommt. Da beobachte ich viele Parodisten, die leider des badischen Akzents nicht mächtig sind, was ich gar nicht vorwerfe, sondern eher als Diskriminierung meiner Heimat wahrnehme. Aus der Ferne klingt das dann wie schwäbisch, aber da gibt es große Unterschiede. Da ich den Dialekt kenne, macht es mir besonders viel Freude.


PM: Sie gehen mit einigen Personen ja schon mal hart ins Gericht. Kommt Ihnen schon mal der Gedanke: „Nach der Nummer laufe ich dem lieber nicht mehr persönlichen über den Weg“?

Florian Schroeder: Nein, das ist nicht so, weil ich versuche, in meiner Arbeit gerecht zu sein. Ich versuche ja mitnichten, jemanden zu treffen in einem Tonfall, der justiziabel oder beleidigend ist. Alles was ich sage, ist in der Regel so recherchiert, dass es wasserfest ist. Auch in der persönlichen Begegnung würde ich den Text genauso machen, wie auf der Bühne in Stadthagen oder vergleichbaren Metropolen. Das ist auch ein schöner Gradmesser, was die Qualität von Texten angeht. Man sollte sich immer fragen: Könntest du diesen Text auch machen, wenn derjenige vor dir sitzen würde? Wenn man dann in einer gesunden Aggression zu dem Ergebnis kommt: „Ja, es wäre mir sogar eine Freude, ihm das mal von der Seite zu sagen“, dann ist der Text gut.


PM: Herr Schroeder, danke für das Gespräch.

 

Das Interview führte Mario Hancke, Foto © Frank Eidel, erschienen im Porta Magazin, Ausgabe September 2018.

 

Anzeige Provinzial Witt

| Anzeigen PW Start


Anzeige Pausenschmaus

| Anzeigen PW Start


Anzeige Julmi

| Anzeigen PW Start


Anzeige Ergotherapie Besch

| Anzeigen PW Start


Anzeige Frohwitter Wehage

| Anzeigen PW Start


Anzeige Kuhn

| Anzeigen PW Start


Anzeige Niessig

| Anzeigen PW Start