Wenn Erziehung zum Problem wird

Wenn Erziehung zum Problem wird

Gotteshütte hilft Kindern, Jugendlichen und Familien

Die „Gotteshütte“ in Kleinenbremen wurde 1853 von den Gemeindemitgliedern des Kirchenkreises Minden als christliches Rettungshaus für „verwahrloste“ Kinder bis zum Konfirmationsalter gegründet.

Im Laufe der letzten fast 170 Jahre hat sich die heute als Jugendhof Gotteshütte bekannte evangelische Stiftung zu einer vielseitigen und modernen sozialpädagogischen Einrichtung entwickelt, die neben der Betreuung von Kindern und Jugendlichen in Wohngruppen auch ambulante Hilfen und Familienhilfen anbietet. Sabine Gosemann ist seit 2016 beim Jugendhof Gotteshütte beschäftigt, war in der Bereichsleitung für Familien tätig und ist derzeit in der Beratung für ambulante Familien und Fachkräfte sowie als Co-Beratung für Westfälische Pflegefamilien tätig.

Porta Magazin: Frau Gosemann, wie viele Kinder und Jugendliche leben derzeit im Jugendhof Gotteshütte und aus welchem Einzugsgebiet kommen diese jungen Menschen?

Sabine Gosemann: In unserer Einrichtung werden 162 Kinder und Jugendliche teilstationär in sogenannten Tagesgruppen sowie vollstationär in Wohngruppen und Verselbständigung-WGs betreut. Rund 200 Familien werden ambulant gestärkt. Für zehn ganze Familien halten wir ein stationäres Setting vor. Das Einzugsgebiet ist im Prinzip deutschlandweit, aber unsere Haupteinzugsgebiete sind die Stadt Porta Westfalica sowie die Kreise Minden-Lübbecke, Schaumburg, Hameln und Herford.

Porta Magazin: Können Sie anhand von Beispielen erläutern, warum die Kinder bei Ihnen leben?

Sabine Gosemann: Die Kinder, Jugendlichen und ihre Eltern brauchen aus ganz unterschiedlichen Problemlagen heraus Hilfe und pädagogische Anleitung. So betreuen wir einerseits Kinder/Jugendliche und ihre Eltern mit schweren traumatischen Erlebnissen, Suchtstrukturen, Vernachlässigung und vielem mehr, sowie andererseits Kinder/Jugendliche und deren Eltern, die zuviel von allem gehabt haben, verwöhnt sind und daher Schwierigkeiten mit Strukturen, Regeln sowie Autoritäten haben. Kinder/Jugendliche verhalten sich entsprechend ihrer Sozialisation und wir möchten ihr Verhalten verstehen sowie dann gezielt und optimal auf sie eingehen. Eltern verstehen wir als Experten für ihre Kinder und binden diese in alle Prozesse mit ein.

Porta Magazin: Wann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem Eltern sich um eine Familienhilfe bemühen sollten und an wen müssen sie sich wenden?

Sabine Gosemann: Jede Familie hat ein Recht auf Unterstützung. Beim Jugendamt kann eine sogenannte Hilfe zur Erziehung beantragt werden, wenn Eltern beispielsweise an ihre erzieherischen Grenzen kommen, unterschiedliche Haltungen in den Elternpaarbeziehungen haben, die zu Konflikten führen; wenn Eltern sich hilflos fühlen, das Kind sich in Schule oder zuhause auffällig verhält, bei Trennungskonflikten, wenn Eltern sich überfordert fühlen, dem erhöhten Förderbedarf des Kindes nicht gerecht werden können oder einfach, wenn Entlastung in einer akuten Krise benötigt wird. Bei Unterstützungsbedarf sollten sich Eltern direkt an das Jugendamt oder die Erziehungsberatungsstellen wenden. Wenn ein Kind zeitweise oder auf Dauer woanders untergebracht werden muss, gibt es auch die Möglichkeit, eine Pflegefamilie zu finden.

Porta Magazin: Was ist der Vorteil am Modell „Pflegefamilie“?

Sabine Gosemann: Pflegefamilien können psychisch besonders hoch belasteten Kindern in einem positiven familiären Zuhause Schutz, ein stabiles Umfeld, Geborgenheit, Zuwendung, Wertschätzung und Orientierung bieten. Traumatische Erlebnisse können dort über ein kontinuierliches, liebevolles und strukturgebendes familiäres Nest verarbeitet werden. Pflegefamilien bieten den Kindern/Jugendlichen die Erfahrung eines stabilen und sicheren Lebensorts.

Porta Magazin: Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe hat bereits in den 1970er Jahren das Konzept „Westfälische Pflegefamilie“ entwickelt. Können Sie das Konzept beschreiben?

Sabine Gosemann: Das WPF-System bietet auf Grundlage des SGB VIII beste Voraussetzungen dafür, besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche in familiäre Lebensräume zu vermitteln. Die besondere Form „Westfälische Pflegefamilie“ stellt ein standardisiertes und qualitätssicherndes Verfahren sicher. Besonders im WPF-System ist, dass eine kontinuierliche, fachlich fundierte enge Begleitung und Beratung für die Pflegefamilien sowie für das Pflegekind gesichert ist. Der Berater steht jeder Pflegefamilie vom Vorbereitungsprozess über die Aufnahme eines Kindes im gesamten Verlauf des Pflegeverhältnisses bis hin zur Beendigung der Pflege zur Seite. Ein weiteres Qualitätsmerkmal des WPF-Systems ist die Co-Beratung, die u.a. den Qualifizierungsvorbereitungsprozess für die Bewerber gemeinsam mit den Beratern durchführt, die Beratungstätigkeit der WPF-Berater ressourcenorientiert reflektiert und in Krisensituationen unterstützt. Aktuell sind Sie auf der Suche nach neuen Westfälischen Pflegefamilien.

Porta Magazin: Welche Anforderungen müssen interessierte Familien erfüllen?

Sabine Gosemann: Außer den formalen Anforderungen wie Platz für ein Kind, finanzielle Stabilität sowie physische und psychische Gesundheit sind es vor allem die persönlichen Ressourcen und Eigenmotivation, die eine besondere Eignung ausmachen. Pflegeltern werden können Einzelpersonen oder Paare, unabhängig davon, ob sie bereits Kinder haben oder nicht. Pflegeeltern sollten dem Kind ein kontinuierliches Beziehungsangebot machen können und wollen sowie viel Freude an dieser Aufgabe haben. Hilfreich sind erzieherische Fähigkeiten, ein gutes Einfühlungsvermögen, Toleranz, Geduld, Belastbarkeit, eine gefestigte Persönlichkeit sowie aus anderen herausfordernden Schicksalen und Lebensumständen erlernte hilfreiche Bewältigungsstrategien. Eine pädagogische, psychologische oder medizinische Ausbildung ist hilfreich, jedoch nicht erforderlich. Pflegeeltern sollten eine Bereitschaft mitbringen, sich offen mit der individuellen Biografie des Pflegekindes auseinanderzusetzen und die Geschichte des Kindes verstehen zu wollen. Die tolerante Akzeptanz der Herkunftsfamilie ist ebenso notwendig. Ausschlusskriterien sind psychische sowie Suchterkrankungen der Bewerberinnen und Bewerber sowie extreme weltanschauliche oder politische Einstellungen, Neigungen zu körperlicher oder psychischer Gewalt sowie stark durch eigene persönliche Schicksalsschläge belastete Personen.

Porta Magazin: Was ist der erste Schritt, wenn man Pflegefamilie werden möchte?

Sabine Gosemann: Es können sich jederzeit interessierte Menschen telefonisch oder per E-Mail an uns wenden. Über ein unverbindliches Informationsgespräch, das auch anonym sein kann, wird zunächst die persönliche Motivation besprochen, die Lebensumstände umrissen und erste Informationen zum System sowie Ablauf des Vorbereitungsprozesses und WPF-Systems gegeben. Gerne senden wir auch Informationsmaterial zu.

Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.jugendhof-gotteshuette.de sowie in einer ungekürzten Version dieses Interviews auf www.inporta24.de.

 

Ansprechpartner zum Thema „Westfälische Pflegefamilien“ sind

Sabine Gosemann (Tel. 01525 6452223) s.gosemann@jugendhof-gotteshuette.de und

Paul Naroska (Tel. 01525 6452225) p.naroska@jugendhof-gotteshuette.de.

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