Vom Zerfall bedroht

Vom Zerfall bedroht

Historisches Stadtarchiv investiert in den Substanzerhalt

Das historische Stadtarchiv Porta Westfalica hat mit der Sicherung von Archivalien begonnen. Etwa 380 Kilogramm Akten – das entspricht etwa 120 Aktenkartons – werden derzeit so aufbereitet, dass sie für nachfolgende Generationen erhalten werden können. Für diese Aufgabe hat die Stadt Porta Westfalica eine Förderung der Landesinitiative Substanzerhalt des Landes NRW erhalten.

Was zunächst staubig und trocken klingt, ist ein spannender, teilweise sogar dramatischer Kampf gegen die Zeit. Seit tausenden von Jahren tragen schriftliche Aufzeichnungen Erkenntnisse von Generation zu Generation. Das geschriebene Wort bildet das Fundament unserer Kultur. Bücher bündeln Informationen in kompakter Form und der Buchdruck machte sie zu einem Massenprodukt, das schnell zu einem unersetzlichen Bestandteil unseres Lebens wurde. Doch die Kontinuität der Archivierung, die über Jahrzehnte und sogar über Jahrhunderte gepflegt wude, ist nun in Gefahr. Eine Lücke droht zu entstehen. Dabei stehen gar nicht die Schriften aus dem Mittelalter im Focus der Archivare, sondern Aufzeichnungen aus dem Jetzt und Heute. Allein in Europa sind hunderte Millionen Bücher und historische Akten bedroht.

Die industrielle Massenproduktion machte das Papier günstig und damit Bücher für die breite Bevölkerung zugänglich. Sie brachte aber auch den Keim des Zerfalls mit sich, denn von Mitte des 19. Jahrhunderts bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurde hauptsächlich säurehaltiges Papier produziert. Zellulose aus Holz bildete die Grundlage der Papierherstellung. In der Produktion kamen außerdem säurehaltige Binde- und Bleichmittel zum Einsatz. Diese Säure verursacht nun aber eine langsame Zersetzung von historischen Büchern und Akten. Und so kommt es zu der auf den ersten Blick kuriosen Situation, dass Bücher, die mehrere Hundert Jahre alt sind, ohne weiteres noch weitere Jahrzehnte bis Jahrhunderte gelagert werden können, während Schriften aus neuerer Zeit vom Zerfall bedroht sind. Darum gilt es nun, erhaltungswürdige Schriften zu sichern. Im Fall des Stadtarchivs Porta Westfalica handelt es sich um Verwaltungsakten, die etwa ab 1850 entstanden sind.

Mit aufwändigen Verfahren soll das Papier entsäuert uns sein Zerfall gestoppt werden, denn hat der Säurefraß erst einmal das Papier unbrauchbar gemacht, ist auch eine Digitalisierung, die ebenfalls ein Thema für eine zukunftssichere Archivierung ist, nicht mehr möglich. Der Prozess des Abbaus der Zellulose und somit des Zerfalls durch die Säure lässt sich mit einem Verfahren zur Entsäuerung als präventive Maßnahme stoppen. Umkehrbar ist der jedoch nicht. Sind Papiere bereits stark beschädigt, können sie durch die Entsäuerung nicht wieder benutzbar gemacht werden. Darum schlagen Archivare bundesweit Alarm und drücken aufs Tempo.

„Wir haben mit einer wichtigen, unaufschiebbaren Arbeit begonnen. Wenn wir jetzt nicht handeln, besteht die Gefahr, dass sich die Archivakten aufzulösen beginnen“, sagt auch Susanne Sieker, die als Abteilungsleiterin für das historische Archiv der Stadt Porta Westfalica zuständig ist. Unterstützt wird die Stadt von Restauratorin Sabrina Heumüller vom LWL-Archivamt für Westfalen. „Wir planen im Zeitraum von etwa fünf Jahren etwa 800 Kartons mit Archivakten aus den Jahren 1850 bis 1970 durch Reinigung und Entsäuerung zu konservieren. Die Archivalien sind derzeit noch in einem guten Zustand, so dass die Entsäuerung nach der Reinigung problemlos möglich ist“, blickt sie optimistisch auf das Projekt. 6900 Euro lässt sich die Stadt Porta Westfalica den Substanzerhalt in diesem Jahr kosten. Darin enthalten ist auch die Dekontaminierung, Reinigung und Neuverpackung von fünf schimmelverdächtigen Akten. 1900 Euro davon stammen aus Fördermitteln. „Die Förderung durch das Land ist Unterstützung und Signal zugleich, für die Bewahrung der Vergangenheit in unseren Archiven zu sorgen. Ich bin sehr froh darüber, dass Susanne Sieker und Jörg Bambach sich so engagiert um unser historisches Stadtarchiv kümmern“, sagt Carsten Dierks, Sachgebietsleiter der Inneren Verwaltung.

Der erste Schritt ist die sorgfältige Auswahl des zu behandelnden Archivalien. Im LWL-Archivamt werden diese schließlich für die Entsäuerung vorbereitet und zu einem Dienstleister weitertransportiert, der die Entsäuerung entweder im sogenannten Einzelblatt- oder Blockverfahren vornimmt. Das Einzelblattverfahren beginnt mit der Folierung der Bestände. Anschließend durchläuft jedes Blatt einzeln die Entsäuerungslösung. Danach werden die Blätter getrocknet und gepresst. Im Blockverfahren wird die gesamte Akte in einem Behandlungsgefäß mit einer nicht wässrigen Entsäuerungsflüssigkeit geflutet und anschließend vakuumgetrocknet. Die fertig behandelten Materialien werden wieder zum LWL-Archivamt gebracht, wo sie nachbearbeitet und einer Qualitätskontrolle unterzogen werden. Die Stadtverwaltung rechnet damit, dass die Entsäuerung der ersten Lieferung Mitte 2023 abgeschlossen sein wird, und die Akten dann wieder in ihrem heimischen Archiv eingelagert und für die Nachwelt verwahrt werden können.

Zu einem Problem könnte die dezentrale Verwahrung von historischen Aufzeichnungen werden, denn bei Ortsheimatpflegern, Dorfgemeinschaften und in Kirchenarchiven lagern ebenfalls schützenswerte Archivalien. Durch die gute Zusammenarbeit mit allen Ortsheimatpflegern habe die Stadt stets Zugriff auf die Akten, sofern dies notwendig sei, heißt es aus der Stadtverwaltung. Zum Teil wüden Akten auch im Stadtarchiv abgegeben, so dass sich die Stadt um den Erhalt auch jener Akten bemühen könne.

Foto:
Jörg Bambach, Restauratorin Sabrina Heumüller, Carsten Dierks und Susanne Sieker (von links) bei der Begutachtung der Akten im Stadtarchiv.

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